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Der Kronberger Kreis zum Mandat der Notenbank:

„Das hierarchische Mandat der EZB mit Priorität für Preisstabilität hat sich bewährt. (…) Die vorgesehene Trennung von Geld- und Fiskalpolitik sowie das Verbot der monetären Staatsfinanzierung sollten eingehalten werden, denn die EZB kann nicht alle Probleme der Mitgliedstaaten lösen. Eine fiskalische Dominanz der Geldpolitik muss vermieden werden. Deshalb muss die EZB erklären, wie sie die hohen Staatsanleihebestände auf ihrer Bilanz längerfristig wieder reduziert.“ (S. 6)

Dazu meine ich: „Als die EU-Staats- und Regierungschefs 1992 den Maastrichter Vertrag unterzeichneten, wiesen sie der damals noch zu errichtenden EU-Notenbank eine klare Aufgabe zu: Die EZB solle sich primär um stabile Preise kümmern. Der Finanzierung von Staaten durch den Ankauf von Schuldentitel wurde in Art. 123 klar untersagt. Das trugt der Sorge Rechnung, dass die monetäre Staatsfinanzierung die Inflation anheizt und die eigentlich unabhängige Notenbank als Gläubiger der EU-Staaten in eine politische Abhängigkeit rutschten könnte.

Rund 30 Jahre später sind die Befürchtungen von damals teilweise eingetreten. Im Zuge der EU-Staatsschuldenkrise hat die EZB ihren Bestand an Staatsanleihen der Euro-Länder seit 2012 massiv ausgeweitet. Von manchen Ländern hat die EZB inzwischen so viele Schuldentitel auf der Bilanz, dass sie fast ein Drittel aller am Sekundärmarkt gehandelten Titel besitzt. Der durch die Anleihekäufe beabsichtigte Preisanstieg blieb allerdings aus. Vielmehr hat sich die EZB in eine Lage manövriert, in der die Inflation nicht anspringt, der Anteil der Notenbank an den Staatsschuldentiteln inzwischen aber bedenklich hoch ist.

Der Kronberger Kreis

Der Kronberger Kreis ist ein Zusammenschluss liberaler Wirtschaftswissenschaftler unter dem Dach der Stiftung Marktwirtschaft, der sich regelmäßig zur deutschen und europäischen Wirtschaftspolitik äußert. Aktuell gehören dem Kronberger Kreis die Professoren Lars P. Feld (Sprecher), Clemens Fuest, Justus Haucap, Heike Schweitzer, Volker Wieland und Berthold U. Wigger an. Weitere Informationen auf der Webseite der Stiftung Marktwirtschaft.

Euro-Staaten wie Italien und Griechenland sind schon länger abhängig vom billigen Notenbankgeld, das für niedrige Zinsen sorgt. In der Corona-Krise hat sich diese Situation verschärft, weil viele Staaten die teuren Lockdown- und Konjunkturmaßnahmen wieder über die Notenbank finanzierten. Würde die EZB aus der Schuldenfinanzierung ruckartig aussteigen, könnte die Zinslast einiger Staaten stark ansteigen und betroffene Länder das Vertrauen der Märkte verlieren. Ein Kollaps der Währungsunion wäre zu befürchten.

Um dieses Szenario zu verhindern, sollte die EZB einen Exit aus den Staatsanleihekäufen vorbereiten. Um plötzliche Marktverwerfungen zu vermeiden, ist es wichtig, dass die EZB diese Schritte nicht kurzfristig umsetzt, sondern frühzeitig kommuniziert und einleitet.

Der Kronberger Kreis zu Forderungen nach einer stärkeren Klimapolitik durch die Zentralbank:

„Von einer breiten Auslegung des Mandats, mit der der aktive Einsatz der Notenbankbilanz zur Finanzierung und Subvention von Klimaschutz-projekten gerechtfertigt werden könnte, ist (…) abzuraten. Instrumente zur Eindämmung der Treibhausgasemissionen liegen in der Hand der Regierungen und Parlamente. Auf EU-Ebene gibt es bereits ein System, um Emissionszertifikate zu handeln. Dieses System auf alle Sektoren in den Mitgliedstaaten auszuweiten, und so einen effektiven Preis für Treibhausgasemissionen zu setzen, ist eine zielführende Lösung. Die Notenbank kann dagegen den Klimawandel mit ihren Instrumenten nicht verhindern. (…) Da sie damit tief im politischen Bereich aktiv ist und in entsprechende Kontroversen verwickelt wird, riskiert sie, ihre Unabhängigkeit aufs Spiel zu setzen.“ (S.45 f.)

Dazu meine ich: „Nicht-Regierungsorganisationen wie Greenpeace und Fridays for Future fordern eine aktive Rolle der EZB in der Klimapolitik. Sie verlangen, die EZB solle vermehrt grüne Anleihen kauft. Diesen Weg halte ich, ebenso wie der Kronberger Kreis, für höchst gefährlich.

Klimapolitik ist eine Aufgabe für gewählte Volksvertreter und nicht für die Notenbank. Klimapolitische Entscheidungen gehen häufig mit Verteilungs- und Strukturfragen einher. Diese Entscheidungen erfordern einen öffentlichen Diskurs und eine demokratische Legitimation, die eine Notenbank nicht bieten kann. Ein Beispiel verdeutlicht das: Der Kohleausstieg in Deutschland wurde lange Jahre intensiv diskutiert und schließlich in einem demokratischen Prozess verabschiedet. Begleitende Maßnahmen stellen sicher, dass strukturelle und soziale Auswirkungen in den betroffenen Regionen aufgefangen werden. Es wäre fahrlässig gewesen, hätte die EZB diese Entscheidung vorweggenommen oder gar erzwungen, indem sie zum Beispiel keinerlei Anleihen von fossilen Energieunternehmen mehr kauft. Notenbanker in Frankfurt hätten dann über die Zukunft von Kohlekumpel im Ruhrgebiet entschieden.

Im Gegensatz zur Politik besitzt die Notenbank zudem sehr ungenaue Instrumente zur Bekämpfung des Klimawandels. Über Anleihekaufprogramme kann sie die Finanzierungskosten von Unternehmen und Staaten beeinflussen. Grüne, klimafreundliche Investments könnten sich so vergünstigen. Allerdings ist dieses Instrument relativ ungenau. Viele Unternehmen finanzieren sich nicht über Anleihen. Und wenn, dann sind private Investoren häufig schon heute bereit, Abschläge für grüne Investitionen hinzunehmen. Zielführender sind stattdessen fiskalpolitische Instrumente wie ein C02-Preis- oder Mengensteuerung. Solche Werkzeuge setzen direkt bei der klimaschädlichen Aktivität an und können alle relevanten Bereiche wie Produktion, Energie, Verkehr und Gebäude umfassen.

Das bedeutet nicht, dass die Notenbank blind gegenüber dem Klimawandel agieren sollte. Die EZB kann in ihrer Rolle als Bankenaufsicht Kreditinstitute nicht dazu verpflichten, Klima- und Umweltrisiken zu berücksichtigen und selbst untätig bleiben. Insofern ist es richtig, wenn die Notenbank ihre Sicherheiten für fossile Investments erhöht oder Sicherheiten mit höheren Klimarisiken nur noch begrenzt akzeptiert. In der Geldpolitik hat die Klimapolitik aber nichts verloren.“

Der Kronberger Kreis zum geldpolitischen Instrument der Negativzinsen:

„Oft wird gefragt, welche Möglichkeiten der EZB in einer tiefen Rezession und Deflation noch bleiben. (…) In der längeren Frist wäre (…) damit zu rechnen, dass das Instrument der Negativzinsen stärker eingesetzt wird. Grundsätzlich gilt, dass negative Nominalzinsen ein Instrument für schwere Krisen bleiben sollten. Langanhaltende Negativzinsphasen sowie negative Renditen langfristiger Staatsanleihen bringen eine Reihe substanzieller Risiken für das Finanzsystem mit sich. Die Staaten ruhen sich möglicherweise darauf aus und verschulden sich zu sehr. Ähnliches gilt für den Privatsektor. Insbesondere bauen sich starke Zinsänderungsrisiken im Bankensystem auf. Derzeit ist dies bereits Realität im Euro-Raum.“ (S. 54)

Dazu meine ich: „Im Juni 2014 senkte die EZB erstmals die Zinsen, die Banken für das Halten von Geldern bei der Notenbank bezahlen, unter null. Entsprechend fielen auch die Zinsen für viele Staatspapiere wie Bundesanleihen oder am Interbankenmarkt ins Negative. Der Negativzins ist heute die neue Normalität und keine Ausnahme mehr. Das hat schwerwiegende Folgen, auf die der Kronberger Kreis zu Recht hinweist: Die Geldpolitik sorgt dafür, dass viele Staaten eine Haushaltskonsolidierung und dringend notwendige Reformen herauszögern.

Aber auch darüber hinaus hat der langfristige Negativzins Nebenwirkungen: Auf der Suche nach Rendite wenden sich Privatpersonen und institutionelle Anleger neuen Anlagemöglichkeiten zu. Dabei geht es nicht um Gier oder Spekulation, sondern um auskömmliche Renditen für eine stabile Altersvorsorge. In der Folge dieser Bewegung droht in Assetklassen wie Aktien inzwischen eine Blasenbildung. Der globale Währungsfonds IWF warnt davor, dass sich Assetpreise von den zugrunde liegenden Fundamentaldaten wie Produktionskapazitäten abkoppeln. Die Rekordstände an den Börsen während der Corona-Pandemie zeugen von dieser Divergenz. Platzen diese Asset-Blasen, kann das weitreichende Auswirkungen auf die Finanzstabilität haben.

Diese Nebenwirkungen berücksichtigt die EZB noch nicht im angemessenen Maße. Daher ist es wichtig, dass die EZB künftig, wie von vielen Ökonomen gefordert, systematisch die Vorteile und die Risiken ihrer Geldpolitik abwägt und kommuniziert. Das könnte zum Beispiel in einer offiziellen Kosten-Nutzen-Analyse erfolgen, die Beschlüsse und Entscheidungen des EZB-Rats begleitet.“

Dr. Jürgen Gros ist Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB). Er twittert als @JGros_GVB und ist Mitglied des Netzwerks LinkedIn.

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