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Das Wichtigste in Kürze

  • Die EU hat im Zuge der Corona-Krise Schnelländerungen an der Finanzmarktrichtlinie MiFID II beschlossen, die sogenannten MiFID Quick-fixes.
  • Die Änderungen treten voraussichtlich im ersten Quartal 2022 in Kraft.
  • Kundeninformationen im Wertpapiergeschäft sollen in Zukunft weitestgehend elektronisch versendet werden.
  • Die Umstellung erspart den Volksbanken und Raiffeisenbanken langfristig Kosten und Arbeit, ist aber kurzfristig mit erheblichem Aufwand verbunden.
  • Die ex-ante-Kosteninformation im telefonischen Wertpapiergeschäft soll voraussichtlich auch nachträglich zugestellt werden können.
  • Die Quick-fixes enthalten auch den Auftrag an die EU-Kommission, die MiFID-Regeln bis 31. Juli 2021 umfassend zu überprüfen und Verbesserungsvorschläge vorzulegen.
  • Der GVB hatte sich seit Längerem für bürokratische Erleichterungen im Wertpapiergeschäft eingesetzt. Dem kommt der EU-Gesetzgeber nun teilweise nach.

Am 10. Dezember 2020 haben sich EU-Rat, Parlament und Kommission im informellen sogenannten Trilog-Verfahren auf Schnelländerungen an der Finanzmarktrichtlinie MiFID II im Zuge der Corona-Krise geeinigt. Mit einer finalen Verabschiedung der sogenannten MiFID Quick-fixes ist im Laufe dieses Monats, spätestens Anfang März 2021 zu rechnen. Die Neuerungen werden nach ihrer Umsetzung in nationales Recht voraussichtlich im Laufe des ersten Quartals 2022 in Kraft treten.

Sollten die Trilog-Ergebnisse in der aktuellen Fassung verabschiedet werden, können Banken künftig mit Erleichterungen im Wertpapiergeschäft rechnen, für die sich der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) seit Längerem eingesetzt hat. Neben dem erklärten Ziel, bürokratische Hemmnisse abzubauen, werden die neuen Regeln auch zur weiteren Digitalisierung des Wertpapiergeschäfts beitragen. „Profil“ gibt einen Überblick über die wichtigsten zu erwartenden Änderungen.

So hat sich der GVB für die Interessen seiner Mitglieder eingesetzt

Ausgangslage

Bereits vor Beginn der Corona-Pandemie hatte sich der GVB dafür eingesetzt, die Finanzmarktrichtlinie MiFID II nachzubessern. Zentrales Anliegen war und ist dem GVB dabei, bürokratische Hemmnisse abzubauen und dadurch Zugangsschranken zum Kapitalmarkt für die Bankkunden zu reduzieren.

GVB warnt vor bürokratischer Überlastung

Regelmäßig fordert die EU-Kommission bei Gesetzesvorhaben Betroffene und Interessenvertreter zur Stellungnahme auf (Konsultation). Im Rahmen der Konsultation zur MiFID-Überarbeitung hat der GVB insbesondere auf bürokratische Hürden bei der telefonischen Wertpapierberatung hingewiesen. So seien die Übermittlung von Kosteninformationen vorab (ex-ante) und die verpflichtende Aufzeichnung der Gespräche problematisch und nicht praxistauglich. Die Kunden haben zudem keine Möglichkeit, auf diese Vorgaben zu verzichten. Das stoße auf erhebliche Kritik, monierte auch GVB-Präsident Jürgen Gros in verschiedenen Interviews, darunter mit der Börsen-Zeitung. Die strengen Vorgaben bei der telefonischen Wertpapierberatung empfänden viele Kunden als überflüssig und würden oftmals auf Unverständnis stoßen. Daher sollten sie auf ihre Praxistauglichkeit überprüft werden. Daneben empfahl der Verband, die geplante EU-Zertifizierung von Beratern nicht zentral zu organisieren, sondern in die bestehenden Ausbildungsprozesse der Banken einzubinden.

EU-Parlamentarier greift GVB-Forderungen auf

Der mit der Materie bestens vertraute EU-Abgeordnete Markus Ferber setzte sich im Herbst 2020 im EU-Parlament für corona-bedingte Erleichterungen bei MiFID II ein. Dabei griff Ferber zentrale Anliegen des GVB auf, die der Verband zuvor an ihn gerichtet hatte. Der Abgeordnete schlug unter anderem vor, die strengen Product Governance-Regeln bei einfachen Anlageprodukten zu lockern. Auch sollte die Vorgabe, dass Banken ihre Kunden über Kursausschläge im Portfolio informieren müssen, praxisgerechter gestaltet werden. Anderenfalls drohe eine Papierflut ohne Erkenntnisgewinn.

Fazit: Trotz Erleichterungen braucht es eine grundsätzliche Überprüfung

Mit den MiFID Quick-fixes setzte der EU-Gesetzgeber zahlreiche Erleichterungen um, für die sich der GVB stark gemacht hatte. Allerdings wird dadurch eine grundlegende Überprüfung der Finanzmarktrichtlinie nicht hinfällig, deren Ergebnisse Ende Juli 2021 vorgelegt werden sollen ist. Der GVB wird sich deshalb weiterhin dafür einsetzen, Hemmnisse beim Zugang von Privatanlegern zum Kapitalmarkt abzubauen.

Das Wertpapiergeschäft soll papierlos werden

Jahrelang hat der Gesetzgeber die Digitalisierung des Wertpapiergeschäfts durch bürokratische Verbraucherschutzvorschriften ausgebremst, indem er zum Beispiel bei der Zustellung von Kundeninformationen die Papierform zum Standard erklärt hat. Mit den MiFID Quick-fixes vollzieht die EU nun eine Kehrtwende. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll das Wertpapiergeschäft künftig weitestgehend papierlos erfolgen. Dazu sollen die Banken für Neukunden künftig standardmäßig ein eigenes elektronisches Postfach (ePostfach) für alle MiFID-relevanten Kundeninformationen eröffnen. Unterlagen in Papierform erhält dann nur noch, wer diese explizit wünscht, wobei die Bank ihre Kunden auf die Papier-Option hinweisen muss (sogenanntes Opt-In).

Die von der EU geforderte Umstellung auf eine papierlose Abwicklung des Wertpapiergeschäfts betrifft auch Bestandskunden: Sobald die MiFID Quick-fixes in Kraft getreten sind, müssen die Banken ihre Bestandskunden in einem Schreiben darüber informieren, dass sie künftig alle MiFID-Informationen elektronisch zugesendet bekommen, sofern sie nicht innerhalb von acht Wochen widersprechen. Entscheidet sich der Kunde innerhalb dieser Frist nicht für die Papierform, muss der Versand der Informationen automatisch auf ein ePostfach umgestellt werden.

Kurzfristiger Mehraufwand, langfristige Entlastung

Die Neuregelungen sind grundsätzlich zu begrüßen, führen sie doch zu einer schnelleren und kostengünstigeren Information des Kunden. Allerdings sollten die Kreditgenossenschaften bei der Umstellung Fingerspitzengefühl walten lassen, damit die Bestandskunden nicht das Gefühl bekommen, dass ihnen Informationen in Papierform künftig vorenthalten werden sollen. Zur Umstellung ist zudem mit einem erhöhten Aufkommen an Anfragen zu rechnen.

Neukunden des Jahres 2021 sollten daher bevorzugt gleich eine ePostfach-Vereinbarung im Online-Banking unterzeichnen. Denn Kunden, die ihr digitales Online-Banking-Postfach freigeschaltet haben oder dies im Rahmen des Neukundenprozesses tun, brauchen auch in Zukunft kein eigenes elektronisches MiFID-Postfach, da die entsprechenden Kundeninformationen schon heute auf Wunsch in ihr Online-Banking-Postfach eingestellt werden können. Daher ist es sinnvoll, möglichst viele Kunden von den Vorteilen des Online-Bankings und des dort vorhandenen ePostfachs zu überzeugen.

Die Umsetzung der EU-Vorgaben ist für die Banken mit einem erheblichen Aufwand verbunden, denn die Quote der Kunden, die ihre MiFID-Informationen bereits heute in ihr Online-Banking-Postfach eingestellt bekommen, ist noch stark ausbaufähig. Letztlich schaffen die Quick-fixes mit dem MiFID-ePostfach nur eine unbefriedigende Insellösung, denn der Kunde erhält – sofern er sein Online-Banking-Postfach nicht aktiviert hat – lediglich ein ePostfach für MiFID-Informationen und nicht beispielsweise für Informationen aus dem Verbraucherkreditbereich. Der GVB setzt sich daher weiterhin dafür ein, dass beim ePostfach ein einheitlicher und rechtssicherer Standard für alle Rechtsbereiche (Wertpapiere, Kredite, Zahlungsverkehr) eingeführt wird.

Umsetzungsprojekt „Elektronische Informationen als neues Standardformat“

Der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) hat mit den Verbundpartnern, den regionalen Prüfungsverbänden und Vertretern der Primärbanken ein Umsetzungsprojekt „Elektronische Informationen als neues Standardformat“ ins Leben gerufen. Dieses soll die technischen und rechtlichen Weichen für die Einführung des von der EU gewünschten MiFID-ePostfachs stellen. Außerdem wird eine Verbundunterstützung ausgearbeitet, wie der Massenversand zur automatischen Umstellung auf das MiFID-ePostfach bewältigt werden kann.

Nachträgliche Zurverfügungstellung der ex-ante-Kosteninformation im Telefongeschäft

In das seit Jahren kritisierte Thema ex-ante-Kosteninformation im Telefongeschäft – also der Zustellung der Kosteninformation vor der Wertpapier-Order – kommt voraussichtlich ebenfalls Bewegung: So soll in den MiFID-Regeln anerkannt werden, dass die ex-ante-Kosteninformation auch nachträglich zugestellt werden kann, wenn der Kunde dies bei einer telefonischen Wertpapier-Order wünscht. Zuvor muss ihm aber angeboten werden, das Geschäft zu verschieben oder die Kosteninformation vorgelesen zu bekommen. Für die Praxis des „Vorlesens“ von Kosteninformationen, die von einigen Banken genutzt wird, gibt es damit ebenfalls weitere Rechtssicherheit, da eine entsprechende Regelung erstmals in die MiFID-Gesetzgebung aufgenommen wird.

Ausnahmen von den Product-Governance-Anforderungen für Standardanleihen

Bei den komplexen Regeln zur Product-Governance, die den Vertrieb mancher Anleihen einschränken, soll es Ausnahmen für Standardanleihen geben, die allenfalls eine sogenannte „Make-Whole-Klausel“ enthalten dürfen. Diese Klausel schützt Anleger, indem bei vorzeitiger Kündigung und Rückzahlung der Anleihe durch den Emittenten eine Art Entschädigungszahlung an den Anleger zu leisten ist. Standardanleihen sind damit generell sicherer und einfacher zu verstehen, sodass beispielsweise künftig kein Zielmarkt mehr hinterlegt beziehungsweise durch die Bank geprüft werden muss.

Erleichterungen für professionelle Kunden und geeignete Gegenparteien

Außerdem wird eine Reihe von Pflichten, die gegenüber professionellen Anlegern und geeigneten Gegenparteien einzuhalten sind, gelockert: So müssen die Banken diesen versierten Kunden beispielsweise im beratungsfreien Geschäft keine ex-ante-Kosteninformation mehr zur Verfügung stellen. Da die Volksbanken und Raiffeisenbanken allerdings in der Regel alle ihre Kunden als Privatkunden einstufen, um einen einheitlichen Prozess im Wertpapiergeschäft zu nutzen, sind diese Erleichterungen weniger praxisrelevant.

Ausblick: Weiteres Potential für Nachbesserungen der MiFID-Regeln

Neben den MiFID Quick-fixes, die voraussichtlich im Laufe des ersten Quartals 2022 in Kraft treten, dringt der GVB auf weitere Entlastungen der Banken, zum Beispiel bei der telefonischen Aufzeichnung von Beratungsgesprächen im Wertpapiergeschäft. Dieses Thema war nicht Bestandteil des aktuellen Pakets. Die Quick-fixes enthalten auch den Auftrag an die EU-Kommission, die MiFID-Regeln bis 31. Juli 2021 umfassend zu überprüfen und Verbesserungsvorschläge vorzulegen. Der GVB wird sich im Rahmen dieser sogenannten „Review“ für weitere Nachbesserungen einsetzen.


Dr. Isabella Brosig-Hoschka ist Referentin für Aufsichtsrecht beim Genossenschaftsverband Bayern.

Kontakt zum GVB

Bei Fragen zu den MiFID Quick-fixes helfen die Spezialisten für Bankaufsichtsrecht des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB) gerne weiter. Kontakt für Verbandsmitglieder: bankaufsichtsrecht(at)gv-bayern.de oder 089/2868-3861. Über kurzfristige Neuerungen zu bankaufsichtlichen Themen (Kreditwesengesetz, Eigenkapitalregulierung CRR, etc.) informiert der Verband im Mitgliederbereich der GVB-Webseite.

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