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Die Hausbank. Schon das Wort klingt heimelig – nach Dorfidyll, mit Kirche, Wirtshaus und schmuck herausgeputzter Bankfiliale. Was dahintersteckt, ist aber so viel mehr als Nostalgie und die wohlige Gewissheit, dass dort die eigenen Finanzen in guten Händen sind. In der Corona-Krise haben die regionalen Banken einmal mehr bewiesen, dass sie ein unerlässlicher Pfeiler des deutschen Bankensystems sind, einer, ohne den die Krise wohl noch weit schlimmer verlaufen wäre.

Mehr als 7.000 Förderkredite vergeben

Als vor etwa einem Jahr die Wirtschaft nahezu komplett runtergefahren wurde, haben alle Beteiligten in einem bis dahin beispiellosen Kraftakt dafür gesorgt, dass den unverschuldet in Not geratenen Unternehmen nicht die Luft ausging. Die Politik schnürte große Hilfspakete, Bankenaufseher lockerten Regelungen temporär, um den Banken Handlungsspielräume zu verschaffen, Förderbanken setzten Kreditprogramme mit hohen Haftungsübernahmen auf. Und die Hausbanken? Sie standen an der Seite ihrer verunsicherten Kunden. Gemeinsam erarbeiteten sie individuelle Finanzierungslösungen – von der Stundung über die Vermittlung von Förderkrediten, den klassischen Bankkredit bis zur Zwischenfinanzierung für Unternehmen, die auf die Auszahlung staatlicher Hilfen warteten.

Insgesamt vergaben die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken im vergangenen Jahr 7.023 Förderkredite im Volumen von mehr als 1,8 Milliarden Euro. 74 Prozent der Kredite entfielen auf die KfW, 26 Prozent auf die Angebote der LfA. Im selben Zeitraum haben die genossenschaftlichen Kreditinstitute im Freistaat ihre eigene Kreditvergabe sogar um 3,2 Milliarden Euro ausgeweitet.

„Die Hausbank ist als Finanzier des Mittelstands nicht zu ersetzen. Da weiß der Unternehmer, woran er ist und wer sein Ansprechpartner ist.“

Apropos Kredite. Sie bleiben die wichtigste Kapitalquelle für die mittelständische bayerische Wirtschaft. Wenn die Europäische Kommission von einer Kapitalmarktunion träumt, um den Unternehmen den Zugang zu neuen Formen der Unternehmensfinanzierung zu erleichtern, dann hat sie wohl nicht die typischen bayerischen Handwerksbetriebe und Mittelständler im Blick. Der Mittelstand in Deutschland finanziert sich nach Angaben des KfW-Mittelstandspanels von 2018 zu 45 Prozent aus Eigenmitteln, zu 34 Prozent aus Bankkrediten, hinzu kommen neben Fördermitteln (15 Prozent) gerade mal sechs Prozent aus weiteren Quellen wie dem Kapitalmarkt. Daraus folgt: Die Hausbank ist als Finanzier des Mittelstands nicht zu ersetzen. Da weiß der Unternehmer, woran er ist und wer sein Ansprechpartner ist. Diese Sicherheit können ihm die anonymen Gläubiger des Kapitalmarkts nicht bieten.

Regionale Verankerung ist der große Pluspunkt

Die Nähe und Verankerung in einer Region war immer eine Stärke der bayerischen Kreditgenossenschaften und wird dies auch in Zukunft bleiben. Das zeigt ein Blick auf die Zahlen: 2.056 Gemeinden gibt es in Bayern, die sich auf 71 Landkreise und 25 kreisfreie Städte in sieben Regierungsbezirken verteilen. Die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken haben fast so viele Geschäftsstellen wie es Gemeinden im Freistaat gibt. 222 Banken sind mit insgesamt 2.015 Filialen und 3.504 Geldautomaten flächendeckend vertreten. Zwar geht der Trend zur Konsolidierung weiter, jedoch achten die Banken immer darauf, Erreichbarkeit und Versorgung mit Bargeld, Beratung und Finanzdienstleistungen im gesamten Freistaat zu gewährleisten.

Und die Kunden nutzen „ihre“ Bank hybrid: Alltagsgeschäfte erledigen sie im Selbstbedienungsbereich, über das Internet oder die App. Wenn es komplizierter wird, greifen sie zum Telefon oder vereinbaren einen Termin in der Geschäftsstelle. Hinzu kommen weitere Lösungen wie die Videoberatung. Digitale Angebote sind wichtig, doch die flächendeckende Präsenz genauso. Das macht echte Heimatbanken aus.

„Regional verwurzelte Kreditinstitute sind keine Nostalgie. Sie werden weiterhin gebraucht, wobei sich das Modell der Hausbank wandelt.“

Regional verwurzelte Kreditinstitute sind keine Nostalgie. Sie werden weiterhin gebraucht, wobei sich das Modell der Hausbank wandelt. Die Versorgung mit Bargeld und Finanzdienstleistungen werden die regionalen Hausbanken wie eh und je leisten. An Bedeutung werden sie als Drehscheibe für finanzielle Unterstützungsleistungen gewinnen, sowohl aus dem eigenen Portfolio als auch aus dem der Förderbanken und Verbundpartner. Beratung wird wichtiger, denn immer mehr Bankkunden – Privatleute wie Unternehmen – brauchen ihre Bank als Lotsen durch die Anlage-, Kredit-, Finanz- und Förderlandschaft. Auch das hat die Krise gezeigt. Zu den wesentlichen, unentgeltlichen Leistungen der bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken zählte in den vergangenen Monaten, Unternehmen bei der Beantragung staatlicher Hilfsmittel beratend zur Seite zu stehen. Ein Service, den die genossenschaftlichen Institute selbstverständlich leisten. Auch das ist Hausbank!

Im Zuge der Corona-Krise hat so mancher den Wert der Bank vor der Haustür wieder erkannt und schätzt die Betreuung und Begleitung, auch wenn die Zeiten härter werden. Erfahrung zahlt sich aus – und die Volksbanken und Raiffeisenbanken verfügen oftmals über mehr als 100 Jahre davon. Sie kennen die Heimat, die Verhältnisse dort, können einordnen, welches Investment Sinn ergibt, und wo sich in einem eng umrissenen Wirtschaftsraum neue Chancen ergeben.

Der Goldstandard der Finanzbranche

Dass viele kleine Einheiten nicht nur stabiler sein können als eine große Organisation, sondern auch erfolgreicher, beweisen die Zahlen. Die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken haben den Corona-Stresstest bestanden und sind gut durch das Geschäftsjahr 2020 gekommen. Das konsolidierte operative Ergebnis der bayerischen Kreditgenossenschaften blieb mit 1,5 Milliarden Euro trotz des Corona-bedingten Wirtschaftseinbruchs nahezu stabil. Die Institute gehören mit einer Eigenkapital-Rendite von über sieben Prozent zu den profitabelsten Bankengruppen in Europa.

„Die Nähe zum Kunden und die Erreichbarkeit, sei es persönlich, telefonisch oder digital, bewähren sich. Daran wird sich nichts ändern.“

Dabei gehen die Genossenschaftsbanken mit ihrem Geschäftsmodell keine übermäßigen Risiken ein. Der Anteil der notleidenden Kredite, die so genannte NPL-Quote, liegt bei gerade einmal 1,12 Prozent. Der europäische Vergleichswert ist zweieinhalbmal so hoch. Angesichts der immer noch bestehenden politischen und volkswirtschaftlichen Unsicherheiten agieren die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken weiterhin vorsichtig und vorausschauend, um gegen mögliche Pleiten gewappnet zu sein. So haben die Institute im Jahr 2020 ihre Kapitalbasis weiter gestärkt. Das harte Kernkapital legte um knapp 1,2 Milliarden Euro auf rund 17 Milliarden Euro zu – eine Steigerung um etwa 7,6 Prozent. Die harte Kernkapitalquote belief sich auf 15,89 Prozent, eine Zunahme um 0,25 Prozentpunkte. Damit ist sichergestellt, dass die Kreditgenossenschaften auch weiterhin ein solider Pfeiler des Bankensystems bleiben.

Erfolgsmodell entwickelt sich weiter

Eine Erkenntnis mit Wirkung für das Banking von morgen steht jetzt schon fest: Die Nähe zum Kunden und die Erreichbarkeit, sei es persönlich, telefonisch oder digital, bewähren sich. Daran wird sich nichts ändern. Allerdings stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen die steigenden Anforderungen in der Beratung zu erbringen sind. Die Spezialisierung der Berater wird weiter zunehmen. So wird sich die Entwicklung weg von Servicefilialen hin zu Beratungsfilialen fortsetzen. Der wahre Service heute ist die beratende Unterstützung und Begleitung des Kunden in seiner jeweiligen Lebenslage. Der Lotse in einer auch finanziell und wirtschaftlich immer komplexeren Welt zu sein, wird eine zunehmend erwartete und geschätzte Dienstleistung.

Das ist weder ein Rückzug oder gar eine Kapitulation. Im Gegenteil. Es ist die konsequente Weiterentwicklung eines Erfolgsmodells, das in der Heimat verwurzelt ist, in den Regionen wirkt und seine Kompetenzen bündelt, um Kunden und Mitglieder auch in Zukunft als verlässlicher Finanzpartner zu begleiten – ob gerade Krisenzeiten herrschen oder nicht.

Dr. Jürgen Gros ist Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB). Er twittert als @JGros_GVB und ist Mitglied des Netzwerks LinkedIn.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der „Börsen-Zeitung" vom 21. April 2021 (Sonderbeilage Wirtschaftsraum Bayern).
Der Beitrag ist auch online verfügbar (Seite B5).

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